Steht die Digitalisierung des Lernens dank “bitmark” vor dem Durchbruch?

Basierend auf bitmark, dem offenen content-first E-Book-Standard für interaktive Lerninhalte, ebnen EdTech-Firmen wie das Schweizer Start-up Get More Brain den Weg für die digitale Transformation des Lernens.

Philippe Pointet
8 min readMar 14, 2021
Schluss mit Schneckentempo bei der Digitalisierung des Lernens

Selbstfahrende Autos, künstliche Organe aus dem 3D-Drucker, Industrie 4.0 — die Digitalisierung schreitet rasant voran.

Überall? Nicht ganz. Im Bildungsbereich sind Papier und starre Stundenpläne weiterhin das Mass aller Dinge. Das hat sich während Corona gerächt — Fernunterricht bringt heute leider immer noch erhebliche Herausforderungen und Qualitätsverluste.

Um diesen Digitalisierungsstau zu verstehen und über Lösungsansätze nachdenken zu können, lohnt sich ein Blick darauf, wie “Lernen” im digitalen Zeitalter denn eigentlich sein sollte und welche Voraussetzungen zu schaffen sind, damit diese Transformation an Fahrt aufnehmen kann.

Wie “Lernen” im digitalen Zeitalter sein sollte und was die dafür notwendigen Voraussetzungen sind

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Espresso, Grande Caramel Americano, “to go” oder laktosefrei — den Kaffee gibt es genauso, wie er am besten passt. Und so sollte es auch beim Lernen sein.

  • Bücher, Stifte, Kreide und digitales Lernen sind frei kombinierbar
  • Selbststudium, Einzel- und Klassenunterricht, Präsenz- und Distanzlernen ebenfalls
  • Spezifische Unterstützung vom Lehrer oder Coach dann, wann sie wirklich gebraucht wird
  • Individuelle Hilfe und Feedback auch von “Smart Books” und Chatbots (Nutzung künstlicher Intelligenz)
  • Persönliche Lernpfade, immer aktuelle “Live Books”, adaptives, abwechslungsreiches und lebenslanges Lernen…

1. Digitalisierung des gesamten Wissensschatzes

Damit in diesem Sinne Schule 4.0 entstehen kann, muss der gesamte Wissensschatz, der heute grösstenteils immer noch in Papier-Büchern “gefangen” ist, endlich digitalisiert werden. Solange sich neue digitale Konzepte nicht auf die gleichen Ressourcen abstützen können, wie die klassischen Lernansätze, werden sie noch lange benachteiligt sein.

Da nicht alle Lerninhalte mit den dazugehörigen Prozessen, Methoden etc. einfach von Grund auf für die digitale Welt “neu erfunden” werden können, sind Lösungen gefragt, die es ermöglichen, die bestehenden Lehrmaterialien quasi “tel quel” in die digitale Welt zu übertragen. In einem weiteren Schritt (z.B. im Rahmen einer späteren Auflage) können diese Lerninhalte dann immer noch für deren digitale Nutzung optimiert werden.

2. Geeignete Lernplattformen zur Nutzung digitaler Lerninhalte

Digitale Lehrbücher allein machen noch keinen digitalen Unterricht. Es braucht dazu natürlich auch geeignete Lern-Apps, E-Book-Reader, Learning Management Systeme (LMS) etc., um mit den Lerninhalten sinnvoll und effizient arbeiten zu können. Was “geeignet” heisst, ist allerdings sehr individuell. Intuitive Menschen lernen anders als analytische Menschen, Skeptiker anders als Optimisten, Kinder anders als Erwachsene.

3. Geräte- und Plattformneutralität

Das bedeutet, dass die gleichen Lerninhalte über unterschiedliche Plattformen und natürlich auch mit sämtlichen Geräten nutzbar sein müssen. Dasselbe Lehrbuch sollte also gleichermassen in der Klasse mit einem Tablet, im Zug oder beim Warten auf den nächsten Kundentermin auf dem Handy und zuhause am Computer benutzt bzw. bearbeitet werden können.

Das beste Device zum Lernen, ist das Device, das man (dabei) hat.
Thomas Gabathuler, EdTech-Pionier, frei nach Jay Maisel

Was heisst das für die Lehrmittel-Verlage und EdTech-Firmen?

Die unheilige Kopplung von Inhalt und Plattform muss überwunden werden

Die Realität sieht leider anders aus. Die heute vorhandenen digitalen Lehrmittel sind durchwegs untrennbar an eine bestimmte Plattform gekoppelt. Das heisst der Inhalt kann nur über eine einzige, typischerweise vom Verlag zur Verfügung gestellte Lern-App ausgespielt werden. Zudem sind die Lehrmittel aufgrund ihrer Fixierung aufs Layout häufig nur mit ganz bestimmten Geräten (oft Tablets) sinnvoll nutzbar.

Im Resultat heisst das “pro Verlag” oder sogar “pro Lehrbuch” eine App. Anstatt sich auf den Lerninhalt konzentrieren zu können, schlagen sich Schüler und Lehrer somit immer noch mit unzähligen Logins und unterschiedlichen Funktionsweisen rum. Das Mathe-Tool vergibt 1–5 Punkte, die Englisch-App drei “Smileys”, die eine App funktioniert auf dem Mobile, die andere nicht etc. etc.

Die Lehrmittel-Verlage müssen daher zusammen mit den Software-Entwicklern Wege finden, wie die unheilige Kopplung von Inhalt und Plattform überwunden werden kann. Denn solange die Nutzer in proprietären Lösungen gefangen sind (“Lock-in”), werden sich digitale Lerninhalte in der Praxis nicht durchsetzen können.

Nur “echt” digitalisierte Lehrbücher sind nützlich

Digital ist nicht gleich digital. Entscheidend ist die Strukturierung: Damit ein digitales Lehrbuch optimal maschinell verarbeitet und auf allen erdenklichen Geräten und Bildschirmgrössen ausgespielt werden kann, müssen dessen unterschiedliche Strukturelemente und Inhalte technisch (d.h. für die Nutzer unsichtbar) entsprechenden gekennzeichnet bzw. “getaggt” werden.

Beispiel:

Die linke Spalte enthält den Lerninhalt mit entsprechenden Tags.

  • [.cloze] = Dies ist eine Übung vom Typ “cloze” (Lückentext)
  • [!] = Der Abschnitt “Solve this simple quiz” ist eine Instruktion
  • [_first] = Anstelle des Wortes “first” soll eine Lücke dargestellt werden + das Wort “first” ist die Lösung zu dieser Lücke

Die rechte Spalte zeigt den Output nach der maschinellen Verarbeitung.

Die Apps sollen sich den Menschen anpassen (nicht umgekehrt)

Damit die digitalen Lerninhalte tatsächlich genutzt werden, braucht es wie gesagt “geeignete” Lernplattformen — also Mobile-Apps, E-Book-Reader, LMS etc., die den Anforderungen und Lebensweisen der modernen Gesellschaft entsprechen: Individuell, “social”, selbst-organisiert, unmittelbar, effizient, adaptiv, auf lebenslanges Lernen ausgerichtet etc. (siehe auch die ☕️-Analogie weiter oben).

Aber auch hier ist die Wirklichkeit eine andere: Die meisten Lern-Apps sind nur auf ganz bestimmte Geräte/Bildschirmgrössen ausgerichtet. Anstatt die Kreativität zu befeuern, gilt es starre Vorgaben einzuhalten, welche individuelle Lernpräferenzen verunmöglichen. Zudem ist das User-Management aufwändig und kompliziert und ebenso die Verwaltung der Lerninhalte.

Auch die Monetarisierbarkeit ist entscheidend

Ein Kernproblem ist, dass beides, die Digitalisierung der Lehrbücher und die Entwicklung geeigneter Lernplattformen, recht teuer ist. Naturgemäss erfolgen die benötigten Investitionen nur dann, wenn realistische Chancen bestehen, die Aufwendungen über den Verkauf der digitalen Lerninhalte später wieder amortisieren zu können.

Ob sich mit digitalen Lehrbüchern Geld verdienen lässt, hängt natürlich in erster Linie von der Erfüllung der oben skizzierten Anforderungen ab (Mobilfähigkeit, geeignete Apps/LMS, Plattformunabhängigkeit etc.). Einfach gesagt: Sind digitale Lehrbücher nützlich, werden sie auch gekauft.

Entscheidend ist aber auch der Kopierschutz. Sind die Lerninhalte wie z.B. PDF nicht geschützt, werden sie kopiert anstatt gekauft. Erforderlich ist somit ein Lösungsansatz, der den Verlage auch Schutz vor einer unkontrollierten Verbreitung ihrer Lerninhalte bietet.

Die Lösung ist “bitmark” — der moderne, offene content-first E-Book-Standard für interaktive Lerninhalte

Das gemeinsame Fundament für die “echte” Digitalisierung von Lerninhalten, für die Kommerzialisierung dieser Inhalte sowie für die Entstehung geeigneter Lernplattformen ohne “Lock-in”-Effekte bietet der 2020 publizierte offene E-Book-Standard “bitmark”:

  • Content-first und Mobile-first: Beschreibung der Lerninhalte und Metadaten (keine visuellen Informationen) zwecks Nutzung auf sämtlichen Plattformen und Geräten
  • Interaktiv: Digitalisierung nicht nur statischer, sondern auch interaktiver Lerninhalte (aktuell umfasst bitmark rund 30 Übungstypen)
  • API-first: Nutzung der gleichen Lerninhalte für alle Kanäle (Mobile Apps, Tablet Apps, Web Apps, LMS, CMS, … und sogar Print)
  • Monetarisierbarkeit: Unterstützung neuer Geschäftsmodelle (z.B. Abo-Modelle) und beliebig vieler Vertriebskanäle
  • Einfache Digitalisierung: Simple, Workflow-freundliche und produktive Digitalisierung auch von bestehenden Lerninhalten

Ich habe die Grundlagen von bitmark bereits in einem separaten Beitrag beschrieben (siehe Wie der Content First-Standard “bitmark” die Demokratisierung und digitale Transformation des Lernens ermöglicht) und gehe daher nachstehend nur noch auf einzelne im vorliegenden Kontext speziell relevante Punkte näher ein.

Tiefere Kosten, bessere Qualität und höhere Nachfrage

Die Nutzung von bitmark ist für die Verlage und EdTech-Firmen kostenlos (Open Source). Damit entfällt der Aufwand für die Entwicklung proprietärer Datenformate. Die frei werdenden Mittel können zur Verbesserung der Lerninhalte und Lernplattformen verwendet werden. Mit zunehmender Qualität steigt wiederum die Nachfrage nach digitalen Lehrbüchern, womit sich die Digitalisierung von Lerninhalten kommerziell noch mehr lohnt (wie nennt man eigentlich so einen “positiven Teufelskreis”? Eine Engelsgerade?).

Mit der Plattformunabhängigkeit verringert sich aus Sicht der Verlage zudem das Risiko, auf das “falsche Pferd” zu setzen und damit auf den Digitalisierungskosten sitzenzubleiben; bewährt sich eine Lösung nicht, kann einfach der Anbieter gewechselt werden.

Kopierschutz dank “in App”-Format und Convenience

Als “in App”-Format bietet bitmark systemischen Kopierschutz; die Lerninhalte können anders als z.B. PDF nicht einfach so kopiert und weitergeben werden. Weil ausserhalb der Lernplattformen die Convenience verloren geht — ohne entsprechende Lern-Apps/LMS können Lerninhalte nicht kommentiert, ausgewertet, mit anderen Nutzern geteilt, Übungen nicht interaktiv online gelöst werden etc. — besteht zudem ein sehr effektiver intrinsischer Kopierschutz.

Nährboden für die digitale Transformation des Lernens

Natürlich bewirkt bitmark selber noch keine digitale Transformation des Lernens. “Schule 4.0” muss aus sich selbst heraus wachsen. Aber indem bitmark die Voraussetzung dafür schafft, die heute noch im Papier gefangene Fülle an Wissen endlich digitalisieren und bedürfnisgerecht “online” nutzen zu können, bildet der Standard den Nährboden für die bessere und raschere Bewältigung dieses Transformationsprozesses.

Ob der Einsatz eines digitalen Lehrmittels im Unterricht sinnvoll ist oder nicht, lässt sich kaum pauschal beurteilen. Der Kontext ist entscheidend: Wie ist der Entwicklungsstand? Wie gross das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler? Welche Kompetenzen sind vorhanden? Was bringt die Zielgruppe mit? All diese Fragen müssten mitgedacht werden.

Patrick Bettinger, Professor für Medienbildung, NZZ vom 4.3.2021

bitmark verhilft den Verlagen auch zur eigenen Digitalisierung

Dank dem bitmark-Standard können die Verlage auch ihre eigenen internen Prozesse und Workflows optimieren, z.B. indem sie bitmark als (einzige) Datengrundlage für sämtliche Ausleitungen verwenden. Zudem steht ihnen erstmals die Möglichkeit offen, die Wirksamkeit ihrer Lerninhalte systematisch auszuwerten (welche Übungen funktionieren in der Praxis, welche nicht etc.).

Schon heute nutzten EdTech-Firmen und Verlage den bitmark-Standard

Online Shop und Lernplattform “Get More Brain”

Immer mehr EdTech-Firmen und Verlage setzen auf bitmark. Das Schweizer Startup Get More Brain, beispielsweise, betreibt einen Online-Shop für Lehrbücher im bitmark-Format. Auf der Get More Brain-Lernplattform steht zudem ein kostenloser E-Book-Reader zur Verfügung sowie ein ebenfalls kostenloser Messenger, über den die Lerninhalte (z.B. Übungen) persönlich oder mit einer Gruppe — etwa einer ganzen Schulklasse — geteilt, diskutiert und ausgewertet werden können. Zudem besteht die Möglichkeit, ganz einfach eigene Lerninhalte zu kreieren und zu verwalten, womit Lehrer die Möglichkeit haben, z.B. ergänzend zum Lehrbuch mit massgeschneiderten eigenen Übungen zu arbeiten.

bitmark Marketplace — Shop as a Service für die EdTech-Firmen, Multi-Vertriebskanal für die Verlage

Der “bitmark Marketplace” ist ein cloud-basiertes Shop-System für Lerninhalte im bitmark-Format (Software as a Service, SaaS).

EdTech-Firmen (und natürlich auch Verlage, die eigene Lernplattformen betreiben) haben damit die Möglichkeit, sehr einfach eigene Online-Shops zu implementieren. Sie benötigen dazu lediglich ein eigenes “Frontend”; die (zeit-)aufwändige und teuere Entwicklung eines eigenen Shop-Backends entfällt — der technische Betrieb des Shops kann vollständig via bitmark Marketplace-API bezogen werden.

Aus Sicht der Verlage und sonstigen Anbieter von Lerninhalten ergibt sich daraus die Chance, ihre Lehrbücher etc. “auf einen Schlag” über mehrere (oder wahlweise alle) am bitmark Marketplace angebundenen Lern-Apps, E-Book-Reader, LMS etc. zu vertreiben. Umgekehrt stellen die daraus resultierenden Verkaufsprovisionen eine attraktive zusätzliche Einnahmequelle für die Betreiber dieser Lernplattformen dar.

Datenimporte sind Schnee von gestern

Damit gehören auch manuelle Datenexporte und Datenimport der Vergangenheit an. Alle via die bitmark Marketplace-API erreichbaren Lerninhalte können automatisch über sämtliche zugriffsberechtigten Lern-Apps, LMS, Autorentools etc. genutzt werden und sind immer aktuell.

Förderverein “bitmark Association”

Die eingangs gestellte Frage, ob die Digitalisierung des Lernens dank des bitmark-Standards vor dem Durchbruch steht, hängt von dessen Verbreitung ab. Je rascherer der Bekanntheitsgrad von bitmark steigt (bei den Verlagen, EdTech-Firmen, Lehrer/Schulen etc.), desto schneller der Transformationsprozess.

Die Verbreitung und Weiterentwicklung des bitmark-Standards wird durch den gemeinnützigen Verein bitmark Association unterstützt.

Auch Sie können helfen, bitmark zu verbreiten, indem Sie Mitglied oder Gönner der bitmark Association werden oder diesen Artikel teilen. Herzlichen Dank 😊.

Nützliche Links:

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